Urban Gardening – Lebensmittel selbst anbauen

In dieser Serie stellen wir Ihnen ungewöhnliche Ideen vor, die noch nicht vor ihrer Umsetzung stehen, aber dazu dienen sollen, zum Denken anzuregen. Vielleicht ergeben sich aus diesen Ideen auch tatsächliche Projekte. Senden Sie uns ihr Feedback gerne über das Kontaktformular mit dem Thema "Utopie" zu.

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Eine Utopie von Fabian Geisel

Zugegebenermaßen: Das was jetzt kommt, erwartet man von den Grünen. Doch auch von den Grünen in Marienheide hat man bis jetzt nichts in diese Richtung gehört.
Ganz ehrlich gesagt: Umweltschutz kennt keine Parteigrenzen. Und wenn es dazu noch eine Idee ist, die das Zusammenleben der Menschen, ihr Handeln beeinflusst, dann ist es doch auch wieder sozialdemokratisch.

Mir schwirrt schon seit längerer Zeit eine Idee im Kopf rum, die immer mal wieder in unterschiedlicher Intensität aufflackert. Auf unserer letzten SPD-Klausurtagung in Marienheide habe ich diese Idee auch bereits angesprochen. So ungewohnt und abwegig sie im ersten Moment auch zu sein scheint, so ist sie es zumindest wert, in den Raum geworfen zu werden. Denn es gibt genügend Beispiele auf der Welt, die genau diese Idee bereits erfolgreich umgesetzt haben.

Butter bei die Fische, um was geht es?

Bekannt ist dieser „Trend“ unter dem Begriff Urban Gardening. Ganz einfach gesagt geht es darum, brach liegende und nicht weiter genutzte Fläche als Garten zu benutzen, wo Gemüse angebaut und Obstbäume gepflanzt werden. „Urban“ deswegen, weil es mitten in der Stadt ist. Nun ist Marienheide keine Stadt, das tut diesem Gedanken aber auch keinen Abbruch. Das ist prinzipiell in jedem Dorf und in jeder Stadt möglich und umsetzbar. Das Beste dabei: es kostet nicht viel. Die Herausforderung: es ist ein Gemeinschaftsprojekt. Die Gefahr: unbeteiligte Dritte könnten etwas dagegen haben (Sie wissen genau was ich meine). 

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Nun wurde diese Idee bereits auch im Klimabeirat zumindest als Schlagwort mal in den Raum geworfen. Das war für mich ein schönes Zeichen, denn ich bin scheinbar nicht der einzige, der diesen Gedanken hegt. Und ich bin mir ebenso sicher, dass viele Menschen da draußen von dieser Idee ebenfalls angetan sind oder es wären, wenn sie es in die Tat umgesetzt sehen würden. Warum nicht einfach machen?

Es sind Flächen notwendig.
Dieses Problem ist zugegebenermaßen ein relativ kleines. Freie Flächen gibt es in Marienheide zu Genüge. Man müsste sie nur zur Verfügung stellen oder die Gemeinde müsste es dulden, dass auf ihren Flächen gegärtnert wird. Aus rein theoretischer Sicht sollte eigentlich auch niemand etwas dagegen haben, wenn die Fläche sowieso nicht anderweitig genutzt wird und man im Gegenzug etwas Gutes tut. 

Jetzt ist man bei einer Fläche natürlich nicht so weit, dass man sagen kann, die Gemeinde versorgt sich jetzt selbst mit Lebensmitteln. Das ist nämlich rein prinzipiell das ultimative Ziel jedes Urban Gardener: die Autarkie. Man soll unabhängig von Lieferketten sein. Möglichst wenig CO2 ausstoßen und vor allem soll man wissen, was man tatsächlich auf dem Teller hat und woher es kommt. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie zeigt uns den unbezahlbaren Wert von Regionalität. Im ganzen Streben nach Globalisierung ist dieser Wert nämlich verloren gegangen. Warum Gurken und Tomaten im schlimmsten Fall tausende Kilometer durch die Gegend fahren, wenn es auch direkt vor unserer Haustüre wachsen kann? Gehen Sie selbst mal ein paar Obst- und Gemüsesorten durch. Sie werden feststellen, dass eine beträchtliche Zahl auch selbst angebaut werden kann. Damit tut man sowohl uns als auch der Natur etwas Gutes. Denken Sie mal drüber nach.  Sie bauen schon Obst und Gemüse selbst zu Hause an? Sehr gut! So soll es sein und Spaß macht es auch!

Wenn ein solches Projekt angelaufen ist (jeder fängt mal klein an), kann man über die Ausweitung nachdenken. Im Prinzip könnte man soweit gehen, dass jede Ortschaft im Gemeindegebiet ihren eigenen Garten hat, um den sich die Dorfgemeinschaft kümmert. Damit wäre man dann schon fast so weit, dass man über Autarkie nachdenken kann (logischerweise nur in einem gewissen Rahmen, weil nicht alles hier wachsen kann). Und sollte tatsächlich der Fall eintreten, dass man in einem Ort so viele Lebensmittel hat, dass man die nicht alle verbrauchen kann, so können diese an andere Orte verkauft werden, wo Bedarf besteht. So entsteht ein kommunales Netzwerk. Das bringt nicht nur der Umwelt etwas sondern auch der Gemeinschaft. Es entsteht eine Solidarität. Man macht etwas Sinn stiftendes. Das kann im ganzen Trubel der Arbeitswelt etwas sehr beglückendes und befriedigendes Gefühl sein.

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Sie merken vermutlich selbst, dass aus einem scheinbar kleinen und abwegig anmutenden Thema sehr viel werden kann. Plötzlich sind wir nicht mehr nur bei der Umwelt sondern auch bei einem gesellschaftlich durchaus relevanten Thema: der Solidarität. Es würde den Rahmen sprengen, dieses Thema nun auch zu diskutieren. Aber vielleicht ist das ein Thema für einen anderen Beitrag.

Kommen wir nun zum letzten und zugleich schwierigsten Schritt. Ich hatte es eben schon angedeutet, dass es Orte geben kann, wo zu viele Lebensmittel zur Verfügung stehen. Denkt man den Prozess ganz zu Ende, gelangt man zum Thema regionale Währung. Schauen wir uns eine mögliche Kette etwas genauer an:

Zu viele Lebensmittel –> Lieferung an Obst- und Gemüseladen im Ortskern –> Auslage der Lebensmittel in separatem Regal –> Kunden von außerhalb kaufen die Lebensmittel und zahlen in Euro / Kunden aus Marienheide zahlen mit einer regionalen Währung –> Das Geld mit regionaler Währung unterstützt direkt die Gärten vor Ort –> Gärtnerei akzeptiert ebenfalls diese regionale Währung –> Kauf von Pflanzen und Saatgut in der regionalen Währung 

Der Vorteil an einer regionalen Währung, die die Landeswährung in keinster Weise ersetzen soll, sondern ausschließlich in einem klar begrenzten Gebiet einen Wert hat, ist, dass sie wirklich vor Ort bleibt und die Menschen vor Ort unterstützt. So viel hierzu. Denn auch dieses Thema würde den Rahmen sprengen, der sowieso eigentlich schon mehr als ausgereizt ist.

Deswegen kommen wir nun zum Ende dieses kleinen Exkurses. Ich denke so abwegig und „verrückt“ ist diese Idee nun nicht mehr, zumindest bis zur regionalen Währung. Wie bei so vielen Dingen hat alles seine Sonnen- und Schattenseiten. Es ist viel Engagement notwendig und das von sehr vielen Personen. Und es besteht immer die Gefahr, dass unbeteiligte Dritte sich einen Spaß daraus machen und Gärten verwüsten. Dabei wissen sie dann in der Regel nicht mal, was sie da gerade tun. Und wenn doch, ist es umso schlimmer. Aber wahr ist auch: verurteilen wir jede Idee direkt („Das geht doch sowieso nicht!“, „Wer soll das pflegen?“, „Wer soll das bezahlen?“…), so werden wir nie einen Wandel hinbekommen. Manchmal muss man Dinge einfach machen, egal wie verrückt sie zu sein scheinen. Verlieren kann man nichts. Nur gewinnen. Und sei es bloß eine Erfahrung, die man gewonnen hat.


Die Beiträge dieser Serie spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Fraktion wider