Ein Kommentar von Fabian Geisel
Wir berichteten vor Kurzem über den Beschluss des letzten Ausschusses für Bildung, Sport und Soziales, für die Marienheider Schulen einen sogenannten Medienentwicklungsplan aufzustellen. Sowohl die SPD als auch alle anderen Fraktionen begrüßten dieses Vorhaben und stimmten entsprechend dafür ab.
Diese Gelegenheit möchten wir gerne nutzen, um ein bisschen tiefer in die Materie einzusteigen und das Thema „Digitalisierung der Schulen“ aus verschiedenen und somit auch kritischen Blickwinkeln zu durchleuchten. Im Kern geht es darum, einerseits die dringende Notwendigkeit der Digitalisierung zu betonen aber andererseits das nicht als Allheilmittel anzusehen. Denn, nur dadurch, dass jede SchülerIn ein Tablet in der Hand hält, sind unsere vielfältigen Probleme mit dem Bildungssystem nicht gelöst.
Die nötigen Rahmenbedingungen
Beginnen wir mit dem Wichtigsten überhaupt, wenn man etwas Neues einführen möchte: einem tragfähigen Konzept. Die Gefahr ist groß, dass nun in Anbetracht des „Home-Schooling“ der letzten Wochen zügig neue Endgeräte angeschafft werden, ohne sich darüber im Klaren zu sein, was man einerseits möchte und andererseits für eine gelungene Umsetzung überhaupt alles braucht.
In diesem Zusammenhang ist im Medienentwicklungsplan ein technisch-pädagogisches Konzept vorgesehen, das zusammen mit dem Plan entwickelt werden muss. Dies soll letztlich genau dem geschilderten überhasteten Einkauf von Geräten entgegenwirken. Zugleich ist damit das Ziel verbunden, den Lehrkräften einen Plan mit an die Hand zu geben, wie die Geräte effektiv im Unterricht eingesetzt werden können. Das Kernproblem besteht nämlich häufig darin, dass die Lehrkräfte für das Einsetzen der digitalen Geräte im Unterricht überhaupt nicht ausgebildet sind. An den Universitäten ist die Lehrerausbildung immer noch an den klassischen Schulbüchern und entsprechend darauf zugeschnittenen pädagogischen Konzepten orientiert. Es ist auch nicht möglich bzw. es wäre womöglich sogar fatal, einfach die pädagogischen Konzepte 1:1, also ohne jegliche Änderung, auf die digitalen Inhalte anzuwenden. Von einigen Verlagen gibt es nun bereits die ersten Anfänge, Schulbücher und entsprechende Materialien darauf anzupassen und so zumindest geeignetes Material anzubieten. Hier ist es dann aber dringend an der Zeit, auch die Lehrkräfte dahingehend aus- und fortzubilden, dass sie problemlos damit umgehen können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der geplante Effekt eines spielerischen und zugleich effektiveren Lernens ins Gegenteil verkehrt wird. In Zusammenarbeit mit den Schulbuchverlagen, Universitäten und den LehrerInnen muss das ein entsprechendes, praxistaugliches Konzept entwickelt werden, das zugleich auch neue Formen des Lernens und Unterrichtens beinhaltet. Die Chance einer grundlegenden Reform des Schulsystems in Deutschland ist damit auch gegeben. Das wird Zeit in Anspruch nehmen, ist aber dringend notwendig. Um Ideen davon zu bekommen, lohnt sich der Blick auf bereits bestehende Umsetzungen digitalen Lernens.
Land der digitalen Schulen: Finnland
Ein Blick in die Zukunft ist nicht notwendig, wenn man nach Beispielen für digitales Lernen sucht. Hier reicht ein Blick nach Finnland. Das skandinavische Land gehört seit langem zu den Ländern mit dem besten Schulsystem. Hier wird der Unterricht mittlerweile voll digital durchgeführt. Jedes Kind hat seinen eigenen Laptop, der im Unterricht benutzt wird. Mittels des Programms „Google Classroom“ können Inhalte von einer Plattform runtergeladen werden, die die Lehrkraft dort bereitstellt. Durch den Laptop besteht die Möglichkeit, jederzeit selbst zu recherchieren und sich das Wissen zu erarbeiten. Auch für Mathematik wird eine große Selbstständigkeit erfordert. Generell gilt, dass die Lehrkraft mehr oder weniger nur dafür da ist, bei Problemen Hilfestellung zu leisten. Begründet wird das damit, dass man dem unterschiedlichen Arbeitstempo der SchülerInnen gerecht wird und man so besser auf jeden einzelnen eingehen kann, ohne dass ein Teil unter- und der andere Teil überfordert ist. Die Hausaufgaben können oder müssen teilweise bereits im Vorfeld über Google Classroom an die Lehrkraft übermittelt werden. Hinzu kommt, dass auch die Klausuren (auch das Abitur!) am eignen Laptop geschrieben wird. Hierzu wird ein spezielles Programm verwendet, was den SchülerInnen nicht ermöglicht, während der Prüfung ein anderes Programm zu öffnen. Hier ist man sogar schon soweit, dass die Schreibschrift im Unterricht selbst kaum mehr eine Rolle spielt.
Dieses Beispiel zeigt, wie es funktionieren kann. Jedoch gilt auch hier, dass manchen Aspekte kritisch hinterleuchtet werden müssen. Der größte Nachteil ist mit Sicherheit die Gefahr der Ablenkung durch diverse andere Programme und Webseiten. Ebenso kritisch kann man die sinkende Relevanz der Schreibschrift sehen, bietet diese doch den ersten und mit wichtigsten Zugang zur Schrift. Hier stellt sich die Frage, wie weit man gehen kann bzw. sollte. Ein weiterer Nachteil ist die Gefahr der Überforderung der SchülerInnen. Nicht jeder kommt mit der Eigenständigkeit zurecht, manche benötigen die Unterstützung und einen klaren Unterrichtsablauf. Hier gilt es, im Detail zu gucken, wie das Land dieses Problem gelöst hat und ob die Befürchtungen, die hierzulande geäußert werden, tatsächlich der Realität entsprechen.
Jedoch sind Beispiele wie diese sehr wichtig für uns. Es nützt wenig, das Rad neu zu erfinden, wenn es anderswo schon erfolgreich durchgeführt wird. Man kann es zwar nicht 1:1 übernehmen, sollte sich aber zumindest daran orientieren.
Baustelle Deutschland
Die Digitalisierung ist mit Sicherheit eine der größten Herausforderungen, vor der unser deutsches Bildungssystem steht. Der Schritt ist dringend notwendig und eröffnet eine Fülle an neuen Möglichkeiten. Jedoch ist es mindestens genau so wichtig, den gegenwärtigen Bestand zu sichern. Dazu gehört: die Beseitigung des Platzbedarfes, eine zeitgemäße Ausstattung (insbesondere vernünftiges Mobiliar, menschenwürdige Sanitäranlagen…) und eine gute bauliche Substanz. Insbesondere die bauliche Substanz ist an vielen Orten ein Problem. Die Gebäude werden nicht hinreichend saniert und verfallen zusehends. Das ist für ein Land wie Deutschland eine Katastrophe und bedarf gewaltiger Nachbesserungen. Wir als SPD Marienheide appellieren schon seit jeher, das Schulen nicht der Ort sind, an denen gespart werden darf. Im Gegenteil: hier sind Investitionen am besten aufgehoben und auch dringend notwendig. Für unsere Gesamtschule gilt dies beispielsweise für den Platzbedarf, der mehr als deutlich nachgewiesen ist. Jedoch bedient man sich aufgrund der Mehrheiten von CDU und FDP an Schmalspurlösungen, anstatt das Problem wirklich umfassend anzugehen. Wir werden dieses Problem auf jeden Fall weiterhin thematisieren und darauf beharren, den Platzmangel voll umfänglich zu beseitigen.
Fazit
Was bleibt nun? Generell erstmal: die Digitalisierung ist notwendig und sie wird kommen. Fast alle anderen Lebensbereiche sind bereits digital. Die Bildung wird es somit auch unweigerlich werden.
Es gilt aber ebenso: es muss Hand und Fuß haben. Wir lösen keine Probleme, wenn wir nicht wissen, was wir genau mit der ganzen Technik anfangen können. Damit schaffen wir eher ein neues Problem, anstatt eines zu lösen. Im schlimmsten Fall sorgt es dafür, dass die Technik nicht genutzt wird. Die Entwicklung eines Konzeptes fängt bei der Ausbildung der Lehrkraft an und endet mit der konkreten Umsetzung im Unterricht. Somit muss es ein ganzheitliches Konzept sein, das am besten bundesweit gilt.
Mindestens genau so wichtig ist, dass bestehende Defizite an unseren Schulen behoben werden. Das muss vielleicht sogar noch eine höhere Priorität haben als der Einsatz digitaler Medien. Denn es nützt wenig, ein Tablet oder Laptop vor sich zu haben, während links und rechts von einem die Schule auseinander fällt.
Der Beitrag spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Fraktion wider.