von Holger Maurer
Der Antrag greift ein ernstes Thema auf. Dazu gehören die Fluchtursachen für Menschen, die sich gezwungen sehen, ihr Leben insbesondere im Mittelmeer aufs Spiel zu setzen ebenso wie der Umgang mit Geflüchteten in Deutschland und an den europäischen Außengrenzen sowie die solidarische „Verteilung“ innerhalb der EU. Hierzu hat auch die SPD auf Bundesebene sich mehrfach geäußert und Forderungen gestellt, die bisher teilweise in der Großen Koalition, teilweise im Rahmen der Europäischen Union nicht oder nicht vollständig durchzusetzen waren.
Die Probleme ließen sich auf nationaler Ebene z. B. über ein Einwanderungsgesetz lösen. Ein Bleiberecht für anerkannte oder auch abgelehnte Geflüchtete in Deutschland, das über die bisherigen Regelungen im Aufenthaltsgesetz (z.B. in § 25a und 25b) hinausgehen, könnte durch eine neue sog. Altfallregelung geschaffen werden, wie sie zum Stichtag 1.7.2007 galt (vgl. § 104a und 104b AufenthG); hierfür fehlt es aber auf Bundesebene nach meiner Einschätzung am politischen Willen oder Mut.
Dennoch meine ich, dass man dem Antrag der Grünen nicht zustimmen kann. Dabei kommt es nicht darauf an, dass in der Darstellung des Sachverhalts politische Wertungen und neben wahren auch einige halbwahre und sogar unzutreffende vermeintliche Tatsachen enthalten sind. Ebenso ist es nicht relevant, dass einige rechtliche Ausführungen nicht zutreffen dürften.
Man könnte darüber diskutieren, ob sich Marienheide bereit erklären sollte, Geflüchtete über die Aufnahmeverpflichtung hinaus aufzunehmen. Allerdings scheint das ins Leere zu gehen, da derzeit wohl sogar weniger Geflüchtete zugewiesen werden als wir aufnehmen müssten.
Der Antrag geht über die Kompetenzen eines Gemeinderates hinaus
Jedenfalls fällt der Antrag aber nicht in die Entscheidungskompetenz des Rates. Der Rat ist hierfür nicht demokratisch legitimiert, und damit auch nicht die von den Bürgern und Bürgerinnen in den Rat gewählten Ratsmitglieder. Der Rat ist kein Gesetzgeber, sondern ein Organ der Selbstverwaltungskörperschaft „Gemeinde Marienheide“. Der Gemeinde steht insoweit (nur) das Recht zu, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze zu regeln. Dies ergibt sich aus dem Grundgesetz (insbes. Art. 28 Abs. 2 GG), der Landesverfassung NRW (insbes. Art. 3 Abs. 2 und 78 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2) und der Gemeindeordnung NRW. Speziell in §§ 40 und 41 GO NRW ist klargestellt, dass der Rat (neben dem Bürgermeister) Organ der Gemeindeverwaltung ist und (nur) zuständig ist für alle Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung und damit der örtlichen Gemeinschaft. Deshalb hat der Rat in der Vergangenheit zu Recht schon Anträge (auch von rechts und links) abgelehnt, die ein nicht existierendes „allgemein politisches Mandat“ für den Rat geltend machen wollten.
Alle Ratsmitglieder haben sich in ihrer Funktion als Ratsmitglied an die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben zu halten. Für Ratsmitglieder gelten eine besondere Treuepflicht in § 32 GO NRW und bestimmte Rechte, aber auch Pflichten in § 43 GO NRW. Wir alle haben uns verpflichtet, uns an Recht und Gesetz zu halten. Deshalb sollten die Grünen überlegen, ob sie den Antrag in der vorliegenden Form nicht zurückziehen wollen.
Migrationspolitik ist Sache des Bundes, der Länder und der EU
Denn die Ausgestaltung des in dem Antrag genannten Verhältnisses zur EU oder anderen Staaten obliegt allein dem Bund; im Rahmen der (bundesgesetzlichen) Vorgaben ist die Erfüllung staatlicher Aufgaben grundsätzlich Sache der Länder (vgl. Art. 23 bis 25, 30 bis 32 GG). Letzteres gilt auch für die Anwendung des Aufenthaltsgesetzes, einem Bundesgesetz. Es erscheint mir ein Unding, dass der Rat als Vertreter aller Einwohner von Marienheide und damit die Gemeinde nicht nur ohne, sondern im Widerspruch zu den rechtlichen Grundlagen sich anmaßt, den demokratisch gewählten Organen der Bundesrepublik Deutschland oder der Europäischen Union Vorgaben in deren originären Aufgabenbereichen zu machen.
Zusammenfassend kann ich dem Antrag der Grünen in der Sache viel abgewinnen, er gehört allerdings in die allgemeine politische Auseinandersetzung und den Bundestag. Der Rat ist hierfür weder zuständig noch demokratisch legitimiert.